Kontakt

 


                                                                                                
Grenzsteine der ehemaligen sächsisch-preußischen Grenze   

 

Zum Tag des offenen Denkmals 2010

 

Gebrochener Witka-Staudamm legt alte Grenzsteine frei (und wieder verschwinden)

 

Vier Tage vor dem Dammbruch des Witka-Stausees bei Niedow (ehemals Nieda) in Polen war ich mit meinem
Grenzsteinsucher-Partner Werner Rentsch am dortigen Stausee auf Grenzsteinsuche.

 

 

Verlief doch die ehemalige sächsisch-preußische Grenze von 1815 –  die damals auch die einheitliche Oberlausitz
schmerzhaft teilte –  entlang des Flüsschens Witka (ehemals Wittig) auf einer Länge von mehr als  drei Kilometern  
durch den Stausee.

 

 

 

 

Dabei besichtigten wir  auch die Staumauer und die Wehranlage des gut gefüllten Stausees. Trotz starken Regens hatten wir keinen
schlechten Eindruck von der ganzen Situation. Bei der Wanderung entlang des Stausees stellten wir fest, dass die Grenzzeichen
 mit den Nummern eins, zwei und drei in dem von 1958 bis 1962 errichteten Stausee  versunken sind.

Wenige Tage nach dem Staudammbruch war ich mit meinem zweiten Grenzsteinsucher-Partner  Peter Seltenheim, mit dem
ich seit mehr als 2 ½ Jahren die sächsisch-preußische Grenze verfolge, wieder vor Ort. Was wir zu sehen bekamen übertraf alle Befürchtungen.

 

 

Der Staudamm ist zu beiden Seiten der Wehranlagen in seiner gesamten Höhe weggespült worden. Vom Stausee ist nichts mehr zu sehen.
Das  Flüsschen Witka läuft wie vor fünfzig Jahren wieder in seinem ursprünglichen Flussbett. Alte Strassen und Brücken, Fundamente
und Kellergewölbe von früheren Häusern und auch Baumstümpfe,  die fünfzig Jahre im Stausee versunken waren, sind wieder
aufgetaucht. Hunderttausende verendete Teichmuscheln liegen überall herum.  Eine sehr tiefe Schlammschicht zu beiden
Seiten der Witka erschwert ein direktes herankommen an das Flüsschen. Die beiden großen Wassersportzentren auf beiden
Seiten des Stausees in Niedow mit den zahlreichen Segel- und Sportbooten liegen im Trockenen. Auch die Pontonbrücke  
über den Stausee hat es weggespült. Mit Hochdruck und schwerer Technik wird an der Reparatur des gebrochenen
Staudamms gearbeitet. Dahinter, flussabwärts in Richtung Radomierzyce (Radmeritz), sieht man große Überschwemmungsgebiete. 
Getreidefelder und Wälder sind mit einer dicken Schlammschicht versehen bzw. stehen unter Wasser. Schwer getroffen wurde auch
das etwa 2 km flussabwärts liegende Radomierzyce. An den Häusern sieht man, dass sie bis zu zwei Meter im Wasser standen.
Am Rande der Ortsstraßen befinden sich die Reste aufgeweichter Möbel und Mengen von Hausrat. Auf den Wegen und
Gewässern des bei vielen Sachsen beliebten Stifts Joachimstein liegt eine dicke Schlammschicht.  Auch die direkt an der Witka
liegenden Radmeritzer Mühle hat es schwer getroffen. Mühle, Cafe und Wohnbereich  standen etwa 1,5 m unter Wasser.
Der Wirt zeigt uns Fotos mit dem Ausmaß der bereits hier kurz nach 16.00 Uhr beginnenden Katastrophe. Überall wird der
Schlamm beseitigt. In spätestens drei Wochen möchte er sein Cafe wieder öffnen. Spontan übergeben wir ihm eine persönliche Geldspende.

 

 

 

Für uns Hobby-Grenzsteinsucher offenbarte der leer gelaufene Stausee dennoch eine große Überraschung. Anhand alten Kartenmaterials sowie des Protokolls der Grenzkommission von 1818 konnten wir zunächst den Bereich der Grenzsteinpaare 2 und 3 der sächsisch-preußischen Grenze lokalisieren. Schließlich gelang es auf komplizierten Wegen –  möglichst die bis zu 50 cm dicken Schlamm- und Schwemmsandschichten umgehend –  beide Grenzsteinpaare wieder zu finden.  

 

 

Grenzsteinpaar 3 fanden wir an der früheren Brücke über die Witka, zwischen den ehemaligen sächsischen und preußischen 
Teilen von Nieda. Während der sächsische Grenzstein noch aufrecht an seinem ursprünglichen Standort steht, liegt der
mehr als 600 kg schwere preußische Grenzstein nahezu 200 m flussabwärts. Die gewaltige Flut hat ihn  mitgerissen.
An dieser Stelle teilte früher die sächsisch-preußische Grenze  das Kirchspiel Nieda.

 

-sächsischer Grenzstein -

 

Das Grenzsteinpaar 2 finden wir am alten Fahrweg vom ehemals preußischen Wilka  zum  sächsischen Wanscha (heute Spytkow). Der leer gelaufene Stausee hat den  Fahrweg nach 50 Jahren wieder auftauchen lassen. Nun gehen wir über uralte Kopfsteinpflasterabschnitte und an großen Baumstümpfen vorbei nach Wanscha. An der noch bestehenden Witka-Brücke  entdecken wir beide Pilare mit der Nummer 2. Die Ziffern sind sehr gut erkennbar.

 

- preußischer Grenzstein -

 

Der preußische Grenzstein ist im Schlamm und Schwemmsand tief eingesunken und der sächsische Grenzstein steht hoch aufragend.
Nach dem Überqueren der früheren Mühlgraben-Brücke  sehen wir noch die Fundamentreste  der ehemaligen Wanschaer-Mühle mit
einem gut erhaltenen Mahlstein. 

Wanscha war der erste sächsische Ort entlang der Trennlinie von 1815 und gehörte ebenfalls zum geteilten Kirchspiel von Nieda.
Danach unternehmen wir einen Abstecher zu dem Bereich, in dem wir das Grenzsteinpaar 1 suchen wollen. In der Nähe des
Bahnhofs Zawidow (ehemals Seidenberg) befand sich bei der Grenzmarkierung 1818  das Dreiländereck. Dort, wo die
Grenzen von Böhmen (damals Kaiserreich Österreich),  Königreich Preußen und Königreich Sachsen zusammentrafen,  
wurden die Grenzzeichen mit der Nummer 1 aufgestellt und bildeten den Anfang der sächsisch-preußischen Grenze.
Die intensive Suche nach der Nummer 1 bleibt hier jedoch erfolglos. Ein veränderter Flusslauf, bis zu 100 cm hoch
angespülter Schwemmsand und kaum vorhandene Fixpunkte  geben die Pilare nicht frei.

 

 

Am 31.August 2010 waren wir zu dritt nochmals vor Ort. In Radomierzyce übergaben wir eine Geldspende, Bekleidung und weitere
Textilien von befreundeten Bürgern aus Königswartha und Umgebung.

 

 

Später machen wir eine Feststellung, die wir zunächst nicht glauben wollten. Das gut erhaltene Grenzsteinpaar 2, welches wir
 am 20. August 2010 fanden, ist verschwunden. Etwas später erfahren wir dass das Zgorzelecer Museum die Pilare geborgen hat,
um sie künftig im dortigen Museum aufzustellen.

Wir haben unser Ziel erreicht: nach 32 Monaten Sisyphusarbeit haben wir den 190 Kilometer langen Abschnitt der
sächsisch-preußischen Grenze, von ehemaligen Grenzpunkt 1 im Witka-Stausee bis zum Grenzstein 150 bei der
brandenburgischen Gemeinde Kroppen ermittelt und entlang der ehemalige Trennlinie mehr als 1000 Grenzzeichen gefunden.  

Hans-Joachim Gawor

 

 

Alte Grenzzeichen wieder aufgestellt

 

Mitglieder des Königswarthaer Geschichtsverein RAK haben im August im Hahnenberg-Gebiet insgesamt zwanzig Läufersteine der ehemaligen sächsisch-preußischen Grenze wieder aufgestellt und gereinigt.

 

 

Ein Teil dieser Läufersteine war bei Holzeinschlagarbeiten mit Großgeräten durch eine auswärtige Firma in den Monaten
April und Mai umgefahren bzw. mit Signalfarbe besprüht worden. Bei den Arbeitseinsätzen wurden auch jahrzehntelang ausgegrabenen Läufersteine wieder aufgestellt.

 

H.-J. Gawor